Klageantrag Unterlassungsanspruch Bestimmtheit
Bestimmtheit des Klageantrags § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO
Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 156, 1, 8 f. - Paperboy; BGH, Urt. v. 9.7.2009 - I ZR 13/07, GRUR 2009, 977 Tz. 21 = WRP 2009, 1076 - Brillenversorgung).
Beispiele für unbestimmte Begrifflichkeiten:
"eindeutig"; "unübersehbar" (BGH GRUR 2005, 692 - "statt"-Preis; BGH Urteil vom 4.10.2007 - I ZR 143/04, IWW-Abrufnnummer 073615)
Gesetzeswiederholende Klageanträge grds. zu unbestimmt
Danach sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, in der Regel als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen.
Ausnahmen
Etwas anderes kann gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst eindeutig und konkret gefasst oder sein Anwendungsbereich durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist, sowie auch dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH, Urt. v. 16.11.2006 - I ZR 191/03, GRUR 2007, 607 Tz. 16 = WRP 2007, 775 - Telefonwerbung für "Individualverträge"; Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 22/05, GRUR 2008, 532 Tz. 16 = WRP 2008, 782 - Umsatzsteuerhinweis). Die Wiedergabe des gesetzlichen Verbotstatbestands in der Antragsformulierung ist auch dann unschädlich, wenn sich das mit dem selbst nicht hinreichend klaren Antrag Begehrte im Tatsächlichen durch Auslegung unter Heranziehung des Sachvortrags des Klägers eindeutig ergibt und die betreffende tatsächliche Gestaltung zwischen den Parteien nicht in Frage gestellt ist, sondern sich der Streit der Parteien ausschließlich auf die rechtliche Qualifizierung der angegriffenen Verhaltensweise beschränkt (BGH, Urt. v. 29.6.1995 - I ZR 137/93, GRUR 1995, 832, 834 = WRP 1995, 1026 - Verbraucherservice; Urt. v. 19.4.2007 - I ZR 35/04, GRUR 2007, 708 Tz. 50 = WRP 2007, 964 - Internet-Versteigerung II).
BGH, Urteil vom 29.4.2010 - I ZR 202/07 - Erinnerungswerbung im Internet, IWW-Abrufnummer 101830
Ausnahme der Ausnahme
Der Klageantrag darf sich nicht auf eine unüberschaubare Anzahl möglicher Verletzungshandlungen beziehen,
(BGH, Urteil vom 29.4.2010 - I ZR 202/07 - Erinnerungswerbung im Internet, IWW-Abrufnummer 101830 ,BGH, Urt. v. 4.10.2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Tz. 15 = WRP 2008, 98 - Versandkosten).
Anderung der Rechtsprechung: BGH-Urteil vom 24.11.1999 - I ZR 189/97 - gesetzeswiederholende Klageanträge (WRP 2000, 389 = NJW 2000, 1792 = GRUR 2000, 438 = ) ist nicht mehr anwendbar
Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe
Grundsatz
Ist der Wortlaut eines verallgemeinernd formulierten Antrags zu unbestimmt, ist er grundsätzlich unzuässig, weil unklar bleibt, was den Beklagten konkret verboten werden soll.
Beispiel: örtliche Beschränkung des Antrags mit der Umschreibung "in der Bundesrepublik Deutschland", wenn bei einer vorrangig auf das Ausland gerichteten Internetseite unklar bleibt, was dem Beklagten konkret verboten werden soll.
Ausnahme
Die Verwendung auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung ist jedoch hinnehmbar und im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig oder sogar geboten, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht. Davon ist im Regelfall auszugehen, wenn über die Bedeutung des an sich auslegungsbedürftigen Begriffs zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen oder wenn zum Verständnis des Begriffs auf die konkrete Verletzungshandlung und die gegebene Klagebegründung zurückgegriffen werden kann (BGH, Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 13 = WRP 2011, 1772 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; Urteil vom 6. Oktober 2011 - I ZR 54/10, GRUR 2012, 405 Rn. 11 = WRP 2012, 461 - Kreditkontrolle, jeweils mwN).
Ob in einem Fall, in dem neben Unterlassung wegen derselben Verletzungshandlung eine Vertragsstrafe begehrt wird, zur Konkretisierung des Unterlassungsbegehrens auf den Inhalt des Unterlassungsvertrags abgestellt werden kann, wurde vom Bundesgerichtshof noch nicht abschließend entschieden.
Sind gesetztliche Ausnahmetatbestände in den Klageantrag aufzunehmen?
Grundsatz
Grundsätzlich brauchen Ausnahmetatbestände in den Klageantrag nicht aufgenommen zu werden; denn es ist nicht Sache des Klägers, den Beklagten darauf hinzuweisen, was ihm erlaubt ist (vgl. Harte/Henning/Brüning, UWG, 2. Aufl., Vorbem. zu § 12 Rdn. 108; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 51 Rdn. 25). Dieser Grundsatz gilt allerdings nur dann, wenn der Klageantrag die konkrete Verletzungsform beschreibt.
Beispielsformulierungen für Anträge bezogen auf die konkrete Verletzungsform:
"wie dies aus den Anlagen ersichtlich ist"; "wenn dies geschieht wie in den Anlagen wiedergegeben"
Ausnahme
Ist der Antrag dagegen über die konkrete Verletzungsform hinaus verallgemeinert abstrakt gefasst, müssen entsprechende Einschränkungen in den Tenor aufgenommen werden; denn das Verbot erfasste andernfalls auch erlaubte Verhaltensweisen (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2003 - I ZR 50/01, GRUR 2004, 605, 607 = WRP 2004, 735 - Dauertiefpreise). Dementsprechend müssen, wenn der Klageantrag nicht auf die konkrete Verletzungsform beschränkt wird, die Umstände, die nach Auffassung des Klägers für die Erfüllung des Ausnahmetatbestandes sprechen, so genau umschrieben werden, dass im Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche konkreten Handlungen von dem Verbot ausgenommen sind.
Eine verbleibende Auslegungsbedürftigkeit des Antrags muss hingenommen werden, wenn kein Streit darüber, welche Bedeutung die Merkmale haben und ob sie in der angegriffenen Werbung erfüllt sind, besteht und vielmehr Streit darüber besteht, ob der Ausnahmetatbestand (zB die zulässige Erinnerungswerbung) mit diesen Merkmalen abschließend umschrieben ist (vgl. BGH GRUR 2009, 977 Tz. 22 - Brillenversorgung). Für die Frage der Bestimmtheit der Merkmale und deren Umschreibung kommt es auf die Rechtsauffassung der Klagepartei an. Ob diese Rechtsauffassung der Klagepartei zutrifft oder der Antrag zu weit greift, stellt eine Frage der Begründetheit der Klage dar.
Achtung! Klageantrag zwar bestimmt genug, aber unbegründet
Zwar kann vom Kläger nicht verlangt werden, den Unterlassungsantrag hinsichtlich aller denkbaren Ausnahmen von dem Verbot einzuschränken. Es ist für ihn jedoch ohne weiteres möglich und im Übrigen auch zumutbar, den Antrag auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken.
(BGH, Urteil vom 29.4.2010 - I ZR 202/07 - Erinnerungswerbung im Internet, IWW-Abrufnummer 101830 ,
Ein "Insbesondere"-Zusatz, der dem verallgemeinernden Teil des Klageantrags angefügt ist, führt nicht zu einer Einschränkung des im Obersatz formulierten Klagebegehrens, sondern stellt eine Auslegungshilfe dar (BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 81/10, GRUR 2012, 954 Rn. 22 = WRP 2012, 1222 - Tribenuronmethyl; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 2.45). Als Auslegungshilfe verdeutlicht der mit "Insbesondere" eingeleitete Teil des Antrags im Streitfall lediglich, welche Benutzungsformen der Wortmarke der Kläger beanstandet. Er gibt jedoch keinen Aufschluss für die Bestimmung relevanter Inlandshandlungen.