§ 5 Irreführende geschäftliche Handlungen

(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:

 

1. die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen;

 

2. den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird;

 

3. die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs;

 

4. Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen;

 

5.die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur;

 

6. die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist,

 

oder

 

7. Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.

 

(2) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft.

 

(3) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.

 

(4) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.

Kommentierung

Gesetzesänderung 2015 und ihre inhaltliche Auswirkung

Die im Dezember 2015 erfolgte Änderung des Irreführungstatbestandes - Einfügung der Relevanzklausel in § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG - durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (BGBl. I 2015, S. 2158) mit Wirkung zum 10.12.2015 beinhaltet gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage im Hinblick darauf, dass schon bisher im Rahmen des § 3 Abs. 1 UWG a.F. die Spürbarkeit der Interessenbeeinträchtigung zu prüfen war, keine inhaltliche Änderung (BGH GRUR 2016, 961 Tz. 25 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon; GRUR 2016, 946 Tz. 65 - Freunde finden; BGH, Urteil vom 21.8.2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus = BGH-Online ; OLG München, Urteil vom 1.6.2017 - 6 U 3973/16 = JurPC 123/2017)

Irreführende geschäftliche Handlung

Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das die geschäftliche Handlung bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr. BGH GRUR 2016, 946 mwN - Freunde finden). Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG nur unlauter, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktbeteiligten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Dabei kommt es auf die Vorstellung des verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers an. Erforderlich ist, dass die Angabe geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über marktrelevante Umstände hervorzurufen und die zu treffende Marktentscheidung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2016, 1073 Tz. 26 mwN - Geo-Targeting).

Verkehrsverständnis bei ausländischen Begriffen

Beispiel:

 

Bei „patent pending" handelt es sich um keinen Begriff, der der englischen Umgangssprache zugeordnet werden kann in dem Sinne, dass auch der weitergehende Teil des angesprochenen Verkehrs, der im Verhältnis zum vorgenannten Personenkreis zahlenmäßig deutlich überwiegen dürfte, ihn nach der Lebenserfahrung in seinem Bedeutungsgehalt zutreffend erfasst. Hinblick auf die in Rede stehenden Produkte, die zu Preisen von einigen € angeboten werden, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich dieser Teil des angesprochenen Verkehrs in der Kaufsituation oder in der „post sale"-Situation mit dem Begriff näher beschäftigen wird. Auf dieser Grundlage wird ein relevanter Teil des angesprochenen Verkehrs (vgl. Bornkamm/Feddersen, in Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 5 Rn. 1.99 f.) der Gefahr der Irreführung unterliegen, da er dem Begriff „patent pending" die Bedeutung beimessen wird, dass für das mit dem Hinweis versehene Produkt ein „anhängiges Patent" im Sinne eines erteilten Patents existiert.(OLG München, Urteil vom 1.6.2017 - 6 U 3973/16 = JurPC 123/2017).

 

In diesem Sinne wurde das Verkehrsverständnis bisher auch durchgehend in der Instanzrechtsprechung und in der überwiegenden Literatur beurteilt (vgl. OLG Hamburg GRUR 1999, 373 LS; LG Düsseldorf Mitt. 1991, 93; vgl. auch OLG Düsseldorf NJWE-WettbR 1997, 5, 7 = Mitt. 1996, 335, 357 betr. „pat. pend." GK-UWG/Lindacher, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 819 ff.; Harte/Henning/Weidert, UWG, 4. Aufl., § 5 E Rn. 64, 67; Lehmler, in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 5 UWG Rn. 239; Ullmann/Deichfuß, in Benkard, PatG, 11. Aufl., § 146 Rn. 37 a.E.; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufi.; § 146 Rn. 15; Kraßer/Ann, Lehrbuch des Patentrechts, 7. Aufl., § 39 Rn. 25 ff.; Mes, PatG, 4. Aufl., § 146 Rn. 26 a.E.; Kirchner, in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatG, 4. Aufl., § 146 Rn. 26 a.E.; Bulling/Mitt. 2008, 60, 62).

Blickfangwerbung

Grundsatz

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann in Fällen, in denen eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe in einer Werbung bei isolierter Betrachtung eine fehlerhafte Vorstellung vermittelt, der dadurch veranlasste Irrtum regelmäßig nur durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis ausgeschlossen werden, der selbst am Blickfang teilhat (

BGH, Urteil vom 15.10.2015 – I ZR 260/14 - All Net Flat; Urteil vom 10. Dezember 2009-I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 43 = WRP 2010, 1023 [BGH 10.12.2009 - I ZR 149/07] -Sondernewsletter; Urteil vom 18. Dezember 2014-I ZR 129/13 , GRUR 2015, 698 Rn. 16 = WRP 2015, 851-Schlafzimmer komplett, jeweils mwN).

 

Ausnahme (enger Anwendungsbereich):

 

Nach der Rechtsprechung des BGH ist allerdings nicht in jedem Fall ein Sternchenhinweis oder ein anderer klarstellender Hinweis bei isolierter Betrachtung irreführenden blickfangmäßigen Angaben in einer Werbung erforderlich, um einen Irrtum der Verbraucher auszuschließen. Ein Irrtum kann vielmehr auch dann ausgeschlossen sein, wenn es sich um eine Werbung - etwa für langlebige und kostspielige Güter - handelt, mit der sich der Verbraucher nach der Lebenserfahrung eingehend befasst, und die Werbung dabei so kurz und übersichtlich gestaltet ist, dass angenommen werden kann, der Verbraucher werde sie insgesamt zur Kenntnis nehmen (BGH, GRUR 2015, 698 Rn. 19 [BGH 18.12.2014 - I ZR 129/13] - Schlafzimmer komplett, mwN). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der hauptsächliche Zweck der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken und damit ebenso der Bestimmungen des insoweit richtlinienkonform auszulegenden deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, soweit es der Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht dient, darin besteht den Verbraucher in seiner Fähigkeit zu einer freien und informationsgeleiteten Entscheidung zu schützen (Köhler, WRP 2015, 1037, 1038). Dementsprechend ist die Annahme, der Verbraucher werde die Einschränkung einer blickfangmäßig herausgestellten Werbeaussage durch eine andere Aussage in der Werbung erkennen, zu der er nicht durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis an der blickfangmäßig herausgestellten Aussage hingeführt wird, nur unter engen Voraussetzungen gerechtfertigt.

Werbung kurz und übersichtlich

Eine Werbung ist nur dann "kurz und übersichtlich" gestaltet, wenn der Zusammenhang zwischen unrichtiger Blickfangangabe und aufklärendem Hinweis gewissermaßen "auf einen Blick" erkannt werden kann, weil beide Bestandteile in räumlicher Nähe zueinanderstehen und die aufklärende Information nicht in unübersichtlichem Text "versteckt" wird (vgl. BGH, GRUR 2015, 698 Rn. 19 - Schlafzimmer komplett;(BGH, Urteil vom 21.8.2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus = BGH-Online).

Der durch eine irreführende Blickfangangabe verursachte Irrtum wird auch bei wirtschaftlich bedeutsamen Erwerbsvorgängen regelmäßig nicht durch einen Hinweis am Ende eines nachfolgenden umfangreichen und unübersichtlichen Texts ausgeräumt, dessen inhaltlicher Bezug zum Blickfang nicht klargestellt wird (BGH, Urteil vom 21.8.2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus = BGH-Online).

Kommentar: Im Fall des BGH (BGH, Urteil vom 15.10.2015 – I ZR 260/14 - All Net Flat)  war zu beachten, dass der Hinweistext in der Fußnote nicht übersichtlich gestaltet war. Es führten zehn Sternchenhinweise zu drei unterschiedlichen Werbeaussagen. Dies erachtete der BGH als nicht aureichend konkret, um die blickfangmäßig herausgestellten Preisangaben und damit diesen erweckten falschen Eindruck noch beseitigen zu können.  Dies bedeutet für den Werbetreibenden, dass er, sofern er mit Sternchenhinweisen eine Werbeaussage im Blickfang relativieren möchte, den Hinweistext und die Zuordnung zu dieser Einschränkung klar und eindeutig angeben muss.  

Ferner hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung darauf hingewiesen, dass eine Blickfangwerbung ohne klarstellenden Hinweis ein Ausnahmefall bleibt. Die zunächst geöffnete Türe für eine Blickfangwerbung ohne Sternchenhinweis hat der Bundesgerichtshof nun wieder fast geschlossen. Der Argumentationsaufwand, einen solchen Ausnahmefall zu begründen, ist entsprechend hoch und schwierig. Der Unternehmer sollte daher immer den sicheren Weg der klaren und deutlichen Aufklärung nehmen. Im nachfolgenden Urteil (BGH, Urteil vom 21.8.2017 - I ZR 53/16 - Festzins Plus) hat der Bundesgerichtshof betont, dass aufklärende Hinweise "auf einen Blick" erkennbar sein müssen. Es ist daher anzunehmen, dass nur Hinweise auf der ersten Seite eines Werbeschreibens oder einer Internetseite (ohne Scollen zu müssen) auf den ersten Blick für den Verbraucher erkennbar sind.

BGH: Werbung mit Selbstverständlichkeiten

Die Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist nicht ohne weiteres zulässig. In dem der Entscheidung des BGH zu Grunde liegenden Fall hatte ein Käufer von Edelmetallen damit geworben, dass er eine „kostenlose Schätzung“ vornehme. Zwar sei nach Meinung des BGH die Schätzung eines Edelmetalls vor Ankauf durch den Käufer in der Tat selbstverständlich, weil er andernfalls dem Verkäufer kein vernünftiges Angebot unterbreiten könne. Andererseits könne “kostenlose Schätzung“ auch bedeuten, dass eine Schätzung auch für einen Besitzer eines Edelmetalls vorgenommen wird, der gar nicht kaufen oder verkaufen, sondern lediglich den Wert wissen möchte. Das sei keineswegs selbstverständlich.

 

BGH, Urteil vom 28.11.2013 - Az. I ZR 34/13

MIR 2014, Dok. 050


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