Kommentierung
- 10. die bösgläubig angemeldet worden sind.
Mit dem Begriff der bösgläubigen Anmeldung in § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG hat der deutsche Gesetzgeber den in Art. 3 Abs. 2 Buchstabe d der Markenrechtsrichtlinie verwendeten Begriff übernommen (vgl. BT-Drucks. 12/6581, S. 79, 95 = BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 73, 89). Dieser Begriff ist weder im Markengesetz noch in der Markenrechtsrichtlinie definiert (vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston v. 12. März 2009, Nr. 36 in der Sache C-529/07 – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth).
Bösgläubigkeit ist im Gemeinschaftsmarkensystem allerdings ein eng definierter Rechtsbegriff. Böser Glaube ist das Gegenteil von gutem Glauben und impliziert oder schließt im Allgemeinen, jedoch nicht ausschließlich, tatsächlichen Betrug oder Betrug kraft gesetzlicher Vermutung oder eine Absicht der Irreführung oder Täuschung einer anderen Person oder ein sonstiges unlauteres Motiv ein. Vom Begrifflichen her kann böser Glaube als „unredliche Absicht“ verstanden werden. Dies bedeutet, dass böser Glaube sich in unlauteren Praktiken manifestieren kann. Bösgläubigkeit lässt sich danach definieren als ein Verhalten einer Person, die bewusst unter Verstoß gegen anerkannte Prinzipien ethischen Verhaltens oder anständige Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel einen ungerechtfertigten Vorteil erlangen oder anderen einen ungerechtfertigten Schaden zufügen will (EuGH, Schlussanträge Sharpston a. a. O., Nr. 51; BGH, Urteil v. 2. April 2009 – I ZB 8/06, GRUR 2009, 780, Nr. 24 - Ivadal m. w. N.).
Eine Markenanmeldung ist demnach bösgläubig im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG, wenn der Anmelder das angemeldete Zeichen nicht als Marke, d. h. als Herkunftshinweis, benutzen, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechts lediglich zum Zwecke der rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einsetzen will (BGH, Beschluss vom 27. April 2006 – I ZB 96/05, BGHZ 167, 278 Rn. 41 - FUSSBALL WM 2006; BGH, Urteil v. 20. Januar 2005 - I ZR 29/02, GRUR 2005, 581, 582 - The Colour of Elégance, jeweils m. w. N.; vgl. auch Sharpston a. a. O. Nr. 48, 49). Die Bösgläubigkeit muss, wie aus dem Gesetzeswortlaut folgt, im Zeitpunkt der Anmeldung gegeben sein.
Für die Beurteilung der Bösgläubigkeit kommt es dabei vor allem darauf an, ob die Markenanmeldung bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs des Anmelders bezogen oder auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung von Mitbewerbern gerichtet ist (vgl. BGH a. a. O. – The Colour of Elégance). Die Voraussetzungen für eine bösgläubige Anmeldung können erfüllt sein, wenn dem Anmelder zum Anmeldezeitpunkt bekannt ist, dass schon ein Dritter das gleiche oder ein ähnliches Zeichen für gleiche oder verwechselbar ähnliche Waren benutzt. Neben der Kenntnis von der Vorbenutzung eines Zeichens durch Dritte können noch zusätzliche Umstände hinzutreten, um eine Markenanmeldung als sittenwidrig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG erscheinen zu lassen. Ob eine Bösgläubigkeit im markenrechtlichen Sinne vorgelegen hat, ist deshalb stets unter Berücksichtigung aller für den konkreten Einzelfall erheblicher Faktoren zu beurteilen (EuGH, Urteil v. 11. Juni 2009 - C-529/07, GRUR 2009, 763, Nr. 37 - Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; BGH a. a. O. Nr. 18 - Ivadal). Die Vermutung der Bösgläubigkeit drängt sich daher bei Anmeldungen auf, die in ersichtlich unberechtigter Weise bekannte Kennzeichen Dritter usurpieren (Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 868). Eine bösgläubige Vorgehensweise ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn es dem Anmelder von vornherein darum geht, die Marke ohne legitime Eigeninteressen schützen zu lassen, um den Besitzstand eines Dritten zu stören (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 - I ZB 53/07, GRUR 2009, 992 Rn. 16 - Schuhverzierung; Ströbele a. a. O. Rn. 871 f. m. w. N.).
Die Absicht, die Marke zu unlauteren Zwecken einzusetzen, muss dabei auch nicht unbedingt der einzige Beweggrund für die Anmeldung gewesen sein, vielmehr reicht es aus, wenn diese Zielsetzung ein wesentliches Motiv hierfür war (BGH, Urteil vom 10. August 2000 - I ZR 283/97, GRUR 2000, 1032 Rn. 25 EQUI 2000).